Erste Szene

[249] Gottlieb und Hinze treten auf.


GOTTLIEB. Lieber Hinze, es ist wahr, du tust sehr viel für mich, aber ich kann immer noch nicht einsehn, was es mir helfen soll.

HINZE. Auf mein Wort, ich will dich glücklich machen, und ich scheue keine Mühe und Arbeit, keine Schmerzen, keine Aufopferungen, um diesen Endzweck durchzusetzen.[249]

GOTTLIEB. Bald, sehr bald muß es geschehn, sonst ist es zu spät – es ist schon halb acht, und um acht ist die Komödie aus.

HINZE. Was Teufel ist denn das?

GOTTLIEB. Ach, ich war in Gedanken! sonst, wollte ich sagen, verschmachten wir beide. Aber sieh, wie schön die Sonne aufgegangen ist. – Der verdammte Souffleur spricht so undeutlich, und wenn man denn manchmal extemporieren will, geht's immer schief.

HINZE leise. Nehmen Sie sich doch zusammen, das ganze Stück bricht sonst in tausend Stücke.

SCHLOSSER. Was sprach der von Komödie und halb acht?

FISCHER. Ich weiß nicht; mir deucht, wir sollten achtgeben, es würde bald aus sein.

SCHLOSSER. Ja wohl, acht! gottlob, um acht werden wir erlöst; wenn wir achtgeben, so wird es um acht für uns ein Losgeben; bis neun, nein, könnt es keiner aushalten; um zehn würd ich mit Zähnen um mich beißen.

MÜLLER. Bester, Sie phantasieren schon in der Manier des Stücks.

SCHLOSSER. Ja, ich bin auf lange ruiniert.

GOTTLIEB. Also heut noch soll sich mein Glück entscheiden?

HINZE. Ja, lieber Gottlieb, noch ehe die Sonne untergeht. Sieh, ich liebe dich so sehr, daß ich für dich durchs Feuer laufen möchte – und du zweifelst an meiner Freundschaft?

WIESENER. Haben Sie's wohl gehört? – Er wird durchs Feuer laufen. – Schön! da bekommen wir noch die Dekoration aus der Zauberflöte, mit dem Wasser und Feuer.

NACHBAR. Katzen gehn aber nicht ins Wasser.

WIESENER. Desto größer ist ja des Katers Liebe für seinen Herrn; merken Sie, das will uns ja der Dichter eben dadurch zu verstehn geben.

HINZE. Was hast du denn wohl Lust zu werden in der Welt?

GOTTLIEB. Das ist schwer zu sagen.

HINZE. Möchtest du wohl Prinz oder König werden?

GOTTLIEB. Das noch am ersten.

HINZE. Fühlst du auch die Kraft in dir, ein Volk glücklich zu machen?

GOTTLIEB. Warum nicht? Wenn ich nur erst glücklich bin.

HINZE. Nun so sei zufrieden; ich schwöre dir, du sollst den Thron besteigen. Geht ab.

GOTTLIEB. Wunderlich müßt es zugehn. – Doch kömmt ja in der Welt so manches unerwartet. Geht ab.[250]

BÖTTICHER. Bemerken Sie doch die unendliche Feinheit, mit der der Kater seinen Stock hält, so zart, so leutselig.

FISCHER. Sie sind uns mit Ihren Feinheiten schon längst zur Last, Sie sind noch langweiliger als das Stück.

MÜLLER. Ja es ist recht verdrüßlich, immer diese Entwickelungen und Lobpreisungen anhören zu müssen.

BÖTTICHER. Aber der Kunstenthusiasmus sucht sich doch auszusprechen.

SCHLOSSER. O es soll nun gleich zu Ende sein! Fassen Sie an, bester Herr Leutner; Herr Müller, halten Sie ihm den Kopf, ich habe hier eine Maschine, die ihm den Mund schließen und das Sprechen untersagen wird.

BÖTTICHER. Sie werden doch nimmermehr –

SCHLOSSER. So, nun steckt ihm der Knebel schon im Munde; Herr Fischer, lassen Sie die Feder zuschnappen, so ist die Sache gemacht. Sie knebeln ihn.

BÖTTICHER. Das ist doch himmelschreiend, daß ein Kunstke – –

SCHLOSSER. Kunstkenner will er sagen. So, jetzt wird doch von der Seite Ruhe sein. Nun sehn Sie hübsch still und bedächtlich zu.


Quelle:
Ludwig Tieck: Werke in vier Bänden. Band 2, München 1963, S. 249-251.
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